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Ausgabe:

Oktober/2014

Spalte:

1237–1238

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Wermke, Michael, u. Thomas Heller[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Universitäre Religionslehrerbildung zwischen Berufsfeld- und Wissenschaftsbezug.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2013. 224 S. = Studien zur Religiösen Bildung, 1. Kart. EUR 28,00. ISBN 978-3-374-03174-0.

Rezensent:

Felix Kerntke

Dieser Band bildet einen Beitrag zur bundesweiten Diskussion um die Reform der universitären Religionslehrerausbildung. Als Ta­gungsdokumentation der Fachtagung »Religionslehrer/-innenbildung in der Krise? Probleme und Perspektiven der Lehramtsstudiengänge der Evangelischen Theologie« im September 2012 in Jena gliedert er sich in zwei Hauptteile. Diese bilden aber gerade nicht Berufsfeld- auf der einen sowie Wissenschaftsbezug auf der an-deren Seite ab, sondern versammeln zunächst Beiträge, die sich ausdrücklich der Titelproblematik stellen, und fokussieren diese gleichsam als erweiterte Einleitung für eine vorgeschlagene Interpretationsperspektive der im zweiten Teil vorgestellten Einzelstudien.
Die vorangestellte Einleitung stellt dabei einen Beitrag eigener Güte dar, der weit über eine Zusammenfassung der folgenden Beiträge hinausreicht. Die Herausgeber geben dabei einen orientierenden Überblick über den Sach- und Diskussionsstand vor dem Hintergrund der EKD-Schriften zur Religionslehrerbildung von 1997 und 2008. Damit ermöglichen sie eine nur ausschnittsweise Lektüre insbesondere im zweiten Hauptteil. Der erste Hauptteil (»Grundsätzliche Überlegungen«) wird seinem Titel vollständig gerecht und trägt die mit Lust an der Kontroverse vorgetragenen Beiträge von Christian Grethlein, Bernhard Dressler und Hartmut Lenhard zusammen. Grethlein schaut dabei auf den Bezug von Berufsfeld und Wissenschaft vom Begriff der Kommunikation des Evangeliums und plädiert für einen Abschied der Unterscheidung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik, um dem Anspruch ge­recht werden zu können, dass der von ihm akzentuierten konstitutiven Verknüpfung von Inhalt und Praxis im Evangelium auch in der auf das Evangelium bezogenen Berufspraxis genüge getan wird. Dem widerspricht Dressler nicht im Grundsatz, will aber die Rückwirkung der Kompetenzorientierung des schulischen Reli-gionsunterrichts auf die Arbeit und Organisation universitärer Theologie mitbedenken. Die »erforderlichen religionshermeneutischen Klärungsprozesse« (52), die den diskursiven Nährboden des Sammelbandes darstellen, will er daher als zentrales Element in die Lehrerbildung eintragen, da er sie als das zentrale Bildungsziel der universitären Ausbildungsphase erachtet.
Diesen beiden Beiträgen entgegengestellt ist dann Lenhards Plädoyer aus der Sicht der zweiten Ausbildungsphase. Er fragt nach dem Abgleich der Anforderungen des Berufsfeldbezugs mit der Ausbildungspraxis der Universität und unterzieht diese einer Prüfung, die in der Forderung mündet, eine grundlegende Revision der Prinzipien universitärer Theologie von Disziplinarität und Fachwissenschaftlichkeit (in Abgrenzung zur Fachdidaktik als alleinstehender Disziplin neben den anderen Fächern) in Angriff zu nehmen, um zukunftsfähig zu bleiben und der Dimensionalität der Praxis religiöser Berufe besser gerecht zu werden. Insgesamt eint die drei Autoren der Wunsch, akademische Theologie in Bildungs- und Ausbildungskontexten stärker als bisher als »positive Wissenschaft« im Sinne Schleiermachers wahrzunehmen und dem durch einen vermehrten Rückbezug der nicht ausdrücklich praxisorientierten Disziplinen auf ihre begründende Praxis stärker ge­recht zu werden.
Der daran anschließende Teil sammelt neun Beiträge, die in unterschiedlicher methodischer und inhaltlicher Schwerpunktsetzung den vorgenannten Diskussionspunkten Konkretion verleihen. So sind fünf quantitativ-empirische Texte und ein qualitativ-empirischer Beitrag versammelt, die Einstellungen, Motivationen und Wünsche von Studierenden in Lehramtsstudiengängen für das Fach Evangelische Religion untersuchen. Außerdem wird der Entwicklungsprozess eines Online-Self-Assessment als Werkstattbericht für ähnliche Vorhaben vorgestellt. Als hochschuldidaktische Vorschläge bzw. Best-Practice-Berichte wird dieser Teil ergänzt durch einen Beitrag zu einer »Didaktik der Alten Sprachen für Theologiestudierende« und einen Versuch, didaktische Ansätze unter Verwendung von berufsbiographischer Selbstreflexion in ihrer Produktivität für Strukturprobleme der universitären Reli-gionslehrerausbildung zu thematisieren. Für die Lektüre dieses Hauptteils stellen sich insbesondere die detailreichen Beiträge quantitativer Provenienz als lohnendes, wenn auch mühsames Vorhaben heraus. Durch alle empirischen Beiträge zieht sich als Empfehlung die verstärkte Konzeption von Studienbegleitprogrammen, die die immer deutlicher sichtbare Lücke religiöser und berufsbiographischer Selbstreflexion schließen, die eine religiös interessierte, aber nicht mehr im gleichbleibenden Maße klassisch religiös sozialisierte Studierendenklientel mit sich bringt.
Für diesen Band gilt das Fazit Bernd Schröders in der Darstellung seiner eigenen Studie gleichsam komplett: »Ihre [der Studien] Funktion besteht vielmehr darin, Erfahrungen und Beobachtungen zum Studium, die Lehrende je für sich ohnehin machen, auf Repräsentativität und Validität zu prüfen […], Problemstellungen, Zusammenhänge und Entwicklungen zu entdecken […] sowie Vergleiche zu ermöglichen.« (221) Daher handelt es sich bei dieser Publikation auch um einen doppelten Beitrag ganz im Sinne der Themenstellung. Sowohl für Lehrende mit Affinitäten zu beiden Dimensionen des Bandes als auch für Vertreter der religionspä- dagogischen Begleitforschung stellt der Band einen Überblick über die verschiedenen Felder der Diskussion und Forschung zum Thema in knapper Form dar, ohne aber Handbuchliteratur zu sein.