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Ausgabe:

Juli/August/2015

Spalte:

868–870

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Hempelmann, Heinzpeter, Schließer, Benjamin, Schubert, Co­rinna, u. Markus Weimer

Titel/Untertitel:

Handbuch Taufe. Impulse für eine milieusensible Taufpraxis. M. e. Geleitwort v. U. Heckel u. M. Kreplin.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Theologie 2013. 149 S. = Kirche und Milieu. Geb. EUR 16,99. ISBN 978-3-7887-2740-6.

Rezensent:

Franziska Beetschen

Das Handbuch Taufe von Hempelmann und seinem Autorenteam ist die Eröffnung der Reihe Kirche und Milieu. Im Handbuch werden die theoretischen Überlegungen Hempelmanns zu Gott im Milieu (H. Hempelmann, Gott im Milieu. Wie Sinusstudien der Kirche helfen können, Menschen zu erreichen, Gießen 22013) mit der Taufpraxis zusammengebracht. Daher ist das Handbuch Taufe klar in zwei Teile untergliedert:
Im ersten Buchteil wird die Anwendung der Milieutheorie in kirchlichen Handlungsfeldern erörtert. Da deren Gebrauch in der Praktischen Theologie umstritten ist, werden hierfür vorab Antworten auf die häufigsten kritischen Entgegnungen gegeben. Hierbei wird klargemacht, dass »die Milieubrille Sehhilfe [ist], nicht mehr und nicht weniger.« (15) Da der kirchliche Auftrag darin bestehe, »das Evangelium in (post-)modernen Lebenswelten […] zu kommunizieren« (16), müsse Kirche diese Lebenswelten mit ihren Erwartungen zunächst differenziert wahrnehmen. Dabei könne die Mi­lieubrille hilfreich sein. Das Autorenteam verwendet konkret das Sinus-Milieu-Modell 2010. In zwei übersichtlichen Tabellen werden die zehn Sinus-Milieus mit ihren Charakteristika und ihren Erwartungen an die Kirche und deren pastoralen Vertretern dargestellt und dann auf die Taufpraxis übertragen. Die anschließenden pastoraltheologischen Konsequenzen ermuntern dazu, die Wünsche der Taufbegehrenden, ob traditionsgeleitet, schutz- oder zugehörigkeitssuchend, ernst zu nehmen und in der möglichen Vielfalt des Taufgottesdienstes aufzunehmen. Im Lichte dessen wird auch ein aufmerksamer Blick auf die Milieuzugehö rigkeit der Pfarrerinnen und Pfarrer geworfen und im Anschluss daran dazu aufgerufen, sich als Pfarrer/Pfarrerin der eigenen Milieuprägung, der Andersartigkeit der Milieuprägungen der Taufbegehrenden bewusst zu werden und mit dieser Fremdheitserfahrung kommunikativ umzugehen, so dass »die missionstheologische Aufgabe der Kontextua-lisierung des Evangeliums in un­terschiedlichen Milieus« (60) mit dem »Taufhandeln als Instrument milieuüberwindenden missionarischen Handelns« (61) möglich wird.
Im zweiten Buchteil werden die theoretischen Überlegungen mit der Taufpraxis zusammengebracht. Als Ergebnis dessen wird die Taufe in den einzelnen Milieus durchbuchstabiert, um die Lesenden dazu anzuregen, ihre Tauftheologie und -praxis auf den Prüfstand zu stellen und neue Wege zu denken. Wichtig ist dabei der Hinweis des Autorenteams, dass bewusst Milieu-Idealtypen präsentiert werden und »es […] um Milieusensibilisierung, nicht um Milieuversklavung [geht].« (63) Es wird das jeweilige Milieu mit karikierenden Ich-Aussagen eines/r fiktiven Milieu-Zugehörigen eingeleitet. Es folgt die Aufführung von Milieucharakteristika und die Schilderung der Erwartungen des jeweiligen Milieus an die Taufe und die Kirche. Anhand dessen werden die Möglichkeiten und Grenzen der Taufpraxis im Umgang mit diesem Milieu er­schlossen. Daran schließen theologische Anknüpfungspunkte an, welche das Milieu integrieren oder provozieren könnten. Je Milieu werden praktische Impulse für die milieusensible Taufvorbereitung und den Taufgottesdienst gegeben. Hierbei binden zahlreiche Literaturtipps die umfassende Taufliteratur mit ein und geben Hilfestellung zu eigenen, literarischen Erkundungsgängen. Ein besonderer Aspekt des Buches ist schließlich, dass die milieusensible Taufe für den Autorenkreis nicht mit dem Taufgottesdienst ende, sondern einer angemessenen Nachbegleitung der Taufbegehrenden bedürfe. Darum werden auch hierfür milieusensible Ideen geäußert.
Der Grat zwischen Milieu und Klischeevorstellung ist jedoch schmal. Um eine praxisgerechte Verwendung des Handbuches zu gewährleisten, ist die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Diskurs Kirche und Milieu vonnöten. Insofern eignet sich das Handbuch Taufe nicht als Einstieg in den Umgang mit Milieus, aber dient als gute Anregung, die eigene Taufpraxis mit der Milieubrille neu zu betrachten und Handlungsgrenzen und -möglichkeiten neu zu entdecken. Daher darf der Charakter des Handbuches nicht mit dem einer Agende verwechselt werden. Zudem erhebt das Buch nicht den Anspruch, eine Theologie der Taufe in den Milieus anzubieten. Diese Theologie wird vorausgesetzt. Die Konzeption des Buches ist erfreulich praxisnah aufgebaut, insofern vier evangelische Pfarrkonvente in den Entstehungsprozess miteinbezogen wurden und das Buch fortwährend durch die Anbindung an das Internetangebot unter www.milieus-kirche.de ergänzt wird. Die Homepage ermöglicht die Bündelung der durch das Buch angeregten Denkprozesse, so dass eine pastorale Ideenbörse mit Zukunftsperspektive entsteht. Auch werden im Buch zahlreiche Beispiele und Zwischenresümees eingestreut, die das Verständnis fördern. Schlussendlich kann das Werk als Bogenschlag zwischen universitärer Theoriebildung und kirchlicher Praxis gesehen werden.