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Ausgabe:

Juli/August/2016

Spalte:

778–780

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Taylor, Joan E. [Ed.]

Titel/Untertitel:

Jesus and Brian. Exploring the Historical Jesus and his Times via Monty Python’s Life of Brian.

Verlag:

London u. a.: Bloomsbury T & T Clark 2015. XXVII, 268 S. m. Abb. Kart. US$ 29,95. ISBN 978-0-567-65831-9.

Rezensent:

Michael Tilly

Zur Wirkungsgeschichte der biblischen Überlieferung gehört auch die in dem satirischen Film der populären britischen Komikergruppe »Monty Python« aus dem Jahre 1979 erzählte alternative Jesusgeschichte vom naiven Judäer Brian Cohen, der, zur selben Zeit wie Jesus in Nazareth geboren, aufgrund einer Verkettung zahlreicher Missverständnisse gegen seinen Willen als Messiasgestalt verehrt wird, sich gegen die römischen Besatzer engagiert und schließlich in einer Massenkreuzigung sein sinnloses Ende findet. Der zu rezensierende Sammelband geht auf eine im Juni 2014 am Londoner King’s College stattgefundene Konferenz zu zahlreichen Aspekten der wissenschaftlichen Betrachtung des Lebens Jesu, der neutestamentlichen Zeitgeschichte und der neuzeitlichen Rezeption der Evangelientradition im Spiegel dieses ebenso umstrittenen wie sehenswerten Films zurück.
Die Einführung der Herausgeberin (XXI–XVII) enthält einen Rückblick auf die Vorgeschichte und den Verlauf der Londoner Konferenz und benennt deren generelle Zielsetzung »to use the Life of Brian as a hermeneutical tool, a means of reflecting not only on our texts but on the Jesus of history and on his context in first-century Judaea« (XXVII).
Der kürzere erste Hauptteil des Buchs nimmt den Inhalt, den Kontext und die Rezeption des Films in den Blick.
William R. Telfords Beitrag (3–18) fragt nach den Bedeutungsfunktionen der Erzählfigur »Brian« vor dem Hintergrund der narrativen Konventionen des Genres »Jesusfilm« und gelangt zu dem Schluss: »He throws light […] on the process whereby we construct our Christs, even although he himself is an everyman fig­ure.« (17) Richard A. Burridge (19–41) setzt sich kritisch mit dem bereits unmittelbar nach seiner Erstaufführung von Vertretern unterschiedlicher Religionsgemeinschaften geäußerten und medial verbreiteten Vorwurf auseinander, der Inhalt des Films sei als religionsbeleidigend und blasphemisch zu betrachten. Während David Shepherd (43–54) das Werk mit der amerikanischen Filmkomödie Wholly Moses (dt. Verleihtitel Oh, Moses!) und Bertold Brechts Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny vergleicht, fragt David Tollerton (55–67) nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der Wahrnehmung von Blasphemie als »socially contested category« (67) sowohl im antiken Judäa als auch im modernen England. James G. Crossley (69–81) macht darauf aufmerksam, dass sich in dem Protagonisten des Films ebenso wie in sämtlichen Rekonstruktionen des »historischen Jesus« der kulturelle Horizont und das erkenntnisleitende Interesse des modernen Rezipienten widerspiegele. In Umkehrung der Perspektive der bisherigen Beiträge betrachtet Philip R. Davies (83–89) die Fragestellungen und Methoden der gegenwärtigen historischen Jesusforschung aus dem Blickwinkel des filmischen Narrativs.
Der längere zweite Hauptteil des Buchs umfasst Beiträge zu den historischen Haftpunkten zentraler Szenen und Motive des Films.
Vorangestellt ist eine methodologisch ausgerichtete Studie Joan E. Taylors (93–106), in der sie das relationale Verhältnis zwischen der exegetischen Betrachtung antiker Texte einerseits und deren Rezeptionsgeschichte andererseits betont. Brians (korrigiertes) Graffito »Romani ite domum« dient Guy D. Stiebel (107–111) als Ausgangspunkt einer konzisen Darstellung der Auswirkungen der römischen Oberherrschaft auf die Identitätskonstruktion der Judäer. Helen K. Bond (113–126) vergleicht die bizarre Kreuzigungsszene am Ende des Films mit einer Reihe antiker literarischer Hinrichtungsszenen, die humoristische Motive enthalten. George J. Brookes Aufsatz zu Analogien zwischen der Hauptperson des Films und dem »Lehrer der Gerechtigkeit« in den Handschriften vom Toten Meer (127–140) folgt Bart D. Ehrmans Studie zum allgemeinen Sinngehalt parodistischer Variationen religionsgeschichtlicher Themen (141–150). Paula Fredriksen (151–165) betont, dass bereits die frühchristlichen Autoren die griechische Bibel als anachronistischen Interpretationsrahmen des Christusgeschehens und seiner Implikationen instrumentalisiert bzw. einer kreativen aktualisierenden Deutung unterzogen hätten. Eine Durchsicht der Konturierung sämtlicher weiblicher Erzählfiguren (einschließlich Loretta) bietet Amy Jill Levine (167–184). Steve Mason (185–205) weist darauf hin, dass keineswegs von einer allgemein verbreiteten Römerfeindschaft im antiken Judäa gesprochen werden könne. Vielmehr sei der jüdische Krieg im Jahre 66 n. Chr. nicht wegen, sondern trotz des Engagements Roms in der Provinz ausgebrochen: »Jerusalem needed Rome and Rome needed Jerusalem.« (205) Adele Reinhartz (207–219) fragt in vergleichender Weise nach den Darstellungen jüdischer Identität mittels der Erzählfiguren »Jesus« und »Brian«. Im letzten Beitrag des durchweg informativen und mitunter auch unterhaltsamen Bandes skizziert Katie Turner (221–237) die Formen und Funktionen der Bekleidung im antiken Judentum. Einer Gesamtbibliographie (239–257) folgen ein Stellenregister (259–262) und ein Verzeichnis der Namen und Sachen (263–268).
Das Buch ist weitaus mehr als nur »Biblical studies on holiday« (XVII). Vielmehr werden in den einzelnen Beiträgen zum einen durchaus relevante Aspekte der neutestamentlichen Forschung in seriöser Weise behandelt, wobei gerade ihre Bezugnahmen auf Life of Brian durchaus innovative Erkenntnisse provozieren. Zum anderen zeigt sich hierbei in beispielhafter Weise, dass auch die Rezeptionsgeschichte des Neuen Testaments bis in die Gegenwart als ein integraler Bestandteil seiner umfassenden Erforschung zu betrachten ist. Als ein Desiderat erscheint mir lediglich eine (insbesondere wegen der durchgehenden Bezugnahme der lesenswerten Studien auf das Medium Film eigentlich naheliegende) eigenständige narratologische Untersuchung der Inszenierung, der intendierten Zuschauer- und Spannungslenkung sowie der Wirkungsdimensionen des satirischen Werkes.