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Ausgabe:

April/2017

Spalte:

352-353

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Petrany, Catherine

Titel/Untertitel:

Pedagogy, Prayer and Praise. The Wisdom of the Psalms and Psalter.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2015. IX, 249 S. = Forschungen zum Alten Testament. 2. Reihe, 83. Kart. EUR 79,00. ISBN 978-3-16-154272-5.

Rezensent:

Markus Witte

Die im Jahr 2014 am Department of Theology an der jesuitischen Fordham University in the Bronx, New York, als Dissertation angenommene Studie von Catherine Petrany zielt auf eine Bestimmung der besonderen Form von Weisheit im Psalter. Dazu analysiert P. nach einem recht oberflächlichen forschungsgeschichtlichen Überblick zur Erforschung der vermeintlichen Gattung »Weisheitspsalm« und zur »Weisheit im Psalter« ausgewählte Psalmen hinsichtlich ihrer weisheitlichen Begriffe, Motive, Themen und Funktionen. Als wesentliches Kriterium für Weisheit gilt P. der Charakter der Unterweisung, der sich sowohl in Psalmen, die traditionell als Weisheitspsalmen angespochen werden (Ps 1; 37; 49), zeige als auch in Psalmen, die als »nichtweisheitlich« angesprochen werden, aber weisheitliche Elemente enthalten (Ps 25; 62; 92; 94). Entscheidend für die Auswahl der Letzteren ist ihre Zuweisung zu genuinen Psalmengattungen, wie zum Klagelied (Ps 25), zum Vertrauenslied (Ps 62) und zum Danklied (Ps 92). Ps 94 wird als Beispiel für eine Mischgattung behandelt. Aufgrund seiner besonderen Stellung im Psalter (in der Mitte zwischen Ps 1 und Ps 145) und seines weisheitlichen Charakters bezieht P. noch Ps 73 in ihre Analyse ein.
Es ist die pädagogische Intention, die für P. einen Psalm zu einem weisheitlichen Text formt. Spezifisch für ihren Ansatz ist die Untersuchung der genannten Psalmen erstens im Blick auf die grundsätzliche kommunikative Struktur, bei der sie zwischen horizontalen und vertikalen Sprechrichtungen unterscheidet, und zweitens im Blick auf die Komposition als Einzelpsalm, als Teil einer Psalmengruppe und als Teil des gesamten Psalters. Während in der klassischen alttestamentlichen Weisheit die horizontale Kommunikation vorherrsche – als Paradigma werden hier vor al­lem die Proverbien zugrunde gelegt – kennzeichne die behandelten Psalmen ein ständiger Wechsel zwischen horizontaler und vertikaler Kommunikation, zwischen pädagogisch-unterweisender und liturgisch-ritueller Sprache. Das heißt: Die besondere Weisheit in einzelnen Psalmen und im Psalter hat ein menschliches und ein göttliches Auditorium. Die eigentliche Antwort auf die psalmistische Lehre ist dementsprechend die Rede zu Gott, das Gebet. Der Psalmist erscheint so in einer Doppelrolle als Lehrer seiner Leser, die zu Sprechern, näherhin zu Betern, werden sollen, und als Schüler, der selbst von Gott zum Gebet angeleitet werde. Die Pädagogik der Psalmen und des Psalters sei demzufolge strikt theozentrisch, die eigentliche Lehre der Psalmen und des Psalters führe zu einem gottesdienstlichen Leben. Exemplarisch führt P. diese Dynamik des Psalters am Gegenüber von Ps 1 und Ps 150 vor ­– als Brücke zwischen der Weisheit von Ps 1 und dem Gotteslob von Ps 150 diene Ps 73. Im Kontext der Weisheitsbücher der Hebräischen Bibel konstatiert P. schließlich, dass der Psalter zentrale Fragen der (kritischen) Weisheit wie das Gegenüber von Frevlern und Gerechten oder die Problematisierung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs aufgreife und dann anderen Antworten zuführe, als dies in den Sprüchen Salomos und im Hiobbuch der Fall sei.
Die Studie bietet interessante Beobachtungen zur Rhetorik und zur Funktion von Weisheit in den behandelten Psalmen wie im gesamten Psalter, verfährt aber in ihrer Typisierung von Weisheit und Psalmen zu schematisch. So werden ähnliche inhaltliche und rhetorische Tendenzen in Texten, die P. zu den eigentlichen Weisheitsschriften zählt, von ihr nivelliert. Auch das Buch Hiob zielt – zumindest in seiner Endgestalt – auf eine Lösung der Fragen Hiobs mittels einer vertikalen Kommunikation respektive mittels des Gebets. Wie P. für die von ihr dargestellten Psalmen herausarbeitet, ist auch im Hiobbuch ausweislich der Gottesreden Gott der eigentliche Lehrer des Menschen. Literatur- und religionsgeschichtlich bleibt P.s Studie weitgehend auf die Hebräische Bibel beschränkt; nur das Sirachbuch, in dem das Gebet eine besondere Rolle spielt, wird etwas ausführlicher berücksichtigt, allerdings ohne Bezugnahme auf die wichtige Arbeit von Werner Urbanz, Gebet im Si­rachbuch (Freiburg i. Br. 2009). Auf die Mischung von Weisheit und Gebet im Schrifttum von Qumran (vor allem in den Hodayot und in 4QInstruction) oder in der Sapientia Salomonis geht das Werk leider nicht ein. Hier wäre ein Blick in den von Renate Egger-Wenzel und Jeremy Corley herausgegebenen Sammelband Prayer from Tobit to Qumran (Berlin/New York 2004) und in die von J. Penner u. a. edierte Aufsatzsammlung Prayer and Poetry in the Dead Sea Scrolls and Related Literature: Essays in Honor of Eileen Schuller on the Occasion of Her 65th Birthday (Leiden 2011) hilfreich gewesen. Die üblichen Register zu Stellen und Autoren sind beigegeben.