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Ausgabe:

Juni/2018

Spalte:

641–643

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Arends, Martin

Titel/Untertitel:

»Die Zeit des Bekennens ist gekommen!«Präses Karl Koch (1876–1951) und seine Rolle im Widerstand der Bekennenden Kirche gegen das Dritte Reich.

Verlag:

Arpke: Verlag Edition coram deo 2017. 481 S. Kart. EUR 14,80. ISBN 978-3-947441-00-6.

Rezensent:

Jobst Reller

Diese Arbeit von Martin Arends ist seine an der philosophischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover von Joachim Perels und Harry Noormann angenommene Dissertation in den Fächern Rechts- und Politikwissenschaften. Hier liegt eine besondere Perspektive begründet, die sich in der Interpretation be­merkbar macht und kirchenrechtliche Grundmuster zutage fördert – anders als das in manchen kirchengeschichtlichen Darstellungen der Fall ist. So fällt z. B. ein besonderes Licht auf Görings bekanntes Verhalten beim Empfang der Kirchenführer bei Adolf Hitler am 17.1.1934. Staatskirchenrechtlich sei es Göring um ein Summepiskopat über die evangelische Kirche gegangen (93), das durch die Unterstellung unter den Reichsbischof abgewendet werden konnte. Diese Interpretation greift tiefer als die einer bewussten Provokation, um Reichsbischof Müller nicht absetzen zu müssen.
Vorweg sei bemerkt, dass es A. den Lesern nicht einfach macht. Aus den Quellen dargestellt wird Präses Karl Kochs Handeln von Anfang 1933 (23 ff.) bis in den Zweiten Weltkrieg (273–300). Ein eigentliches Fazit fehlt. Die prägenden Phasen in Kochs Leben von 1876–1932, der von 1919 bis 1933 Abgeordneter der Deutschnationalen Volkspartei im preußischen Landtag war, werden auf den Seiten 3 bis 7 nur skizziert. Damit liegt nicht eigentlich eine umfassende Biographie Kochs vor, sondern eine Nachzeichnung seines Handelns im Kontext des Kirchenkampfs 1933–1945. Den Umständen politischer Verfolgung der Bekennenden Kirche, aber auch der Persönlichkeit Kochs ist geschuldet, dass auch die Quellenlage in vielerlei Hinsicht zufällig ist (3).
Die Bedeutung von Präses Karl Koch steht außer Frage. Ermöglichte doch das besondere Verhältniswahlrecht der westfälischen Provinzialsynode auch nach der Kirchenwahl im Juli 1933, dass deutschchristliche Kreise unter Bischof Adler in der westfälischen Synode keine Mehrheit erhielten und insofern nicht die Macht ergreifen konnten wie in den Körperschaften anderer Landeskirchen. Präses Koch konnte als Leiter der Synode weiterhin handeln. Kochs Äußerungen zur NSDAP waren seit den 1920er Jahren von politischer Taktik geprägt. Das Gros der politischen Akteure der Weimarer Republik stoße weite Teile der Wähler ab und treibe sie in den Bann von Hitlers Persönlichkeit (20). Wie viele Konservative seiner Zeit hatte Koch »während der gesamten Weimarer Republik ein gebrochenes Verhältnis zu dem neuen System und eine Sehnsucht nach einem ›starken, von christlichen Grundsätzen getragenen Staat‹, der in der Lage sein würde, die Kirche und das Christentum zu schützen und zu fördern« (21). Nach dem ersten von Wilhelm Niesel beschriebenen »Rausch« (23; so auch Kurt Dietrich Schmidt: Einführung in die Geschichte des Kirchenkampfs, hrsg. v. Jobst Reller, Hermannsburg 22009) der Hoffnung auf einen Neubeginn Anfang 1933 war für Koch schnell klar, dass die NSDAP und die Deutschen Christen nicht geeignet waren, zu diesem Ziel eines wahrhaft christlichen Staates zu führen. Predigten im Zeitgeist, die nicht Buße und Glauben wecken wollten, sondern ein völkisches Christentum, lehnte Koch bereits 1932 ab (31 f.). Der Versuch zur Einführung des Arierparagraphen in der Kirche der Altpreußischen Union weckte seinen Widerstand. Koch nahm eindeutig Stellung zugunsten der nichtarischen Pfarrer (60).
Abschließend soll A.s Darstellung der Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg nachgezeichnet werden (273 ff.). Koch wusste als Superintendent nach der Aufforderung zu einem Kriegsvertretungsplan seit Juli 1937 von der Vorbereitung des Krieges. Der geistliche Leiter der Deutschen Christen in Westfalen Paul Fiebig nutzte entgegen dem von Hitler verkündeten »Burgfrieden« den Beginn des Krieges, um Koch zu einer Abkehr vom Weg der Bekennenden Kirche aufzufordern, sich dem Kirchenregiment unterzuordnen und die Deutschen Christen nicht mehr öffentlich als Irrlehrer zu bezeichnen. Koch wies Fiebigs Schreiben als verletzend zurück (281). Koch ließ keinen Zweifel an der Förderung bekenntnisgebundenen kirchlichen Dienstes, war durch den Einsatz für die Unabkömmlichkeit der Pfarrer bei den Wehrersatzbehörden, aber auch die Zurüstung von Hilfskräften für nicht mehr pfarramtlich versorgte Gemeinden in Anspruch genommen. In Handreichungen für Konfirmanden deutete Koch das Bekenntnis als Bekenntnis gegen jede Form von Gewissensknechtung. Wo Deutsche Christen fröhlich die Hoffnung auf den Endsieg zum Ausdruck brachten, verpflichtete Koch auf die Hoffnung zum baldigen Frieden. Zum 1. September 1943 regte Koch einen besonderen Gottesdienst im vierten Kriegsjahr an, der zunächst das im Krieg bisher Geschenkte, die Fürbitte für die Wehrmacht und den Führer, für Verwundete, Sterbende, Gefangene und Vermisste und eine Predigt über Klagelieder Jeremias 3,22–26.37–39 vorsah. Die Wahl des Predigttextes wurde unmittelbar kritisiert. Vor dem Segen solle – so forderte Koch – in Zukunft das Lied »Verleih uns Frieden gnädiglich« gesungen werden. Damit bezog Koch erneut durch klares christliches Friedenszeugnis Stellung gegenüber nationalsozialistischen Durchhaltepredigten (299). Kurz vor der Eroberung Bad Oeynhausens durch die Alliierten erhielt Koch eine Drohung auf Briefpapier der SS, dass man ihn vor dem Abzug noch umlegen werde. Mit ernster Bedrohung seines Lebens rechnete er seit 1942. Interessant ist auch das während des Krieges in Kreisen der Bekennenden Kirche zunächst anonym weitergereichte theologische Gutachten Peter Brunners: »Theologisch-ethische Besinnung über den Krieg« (289–294).