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Ausgabe:

April/2021

Spalte:

309-311

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Spener, Philipp Jakob

Titel/Untertitel:

Briefe aus der Frankfurter Zeit 1666–1686. Bd. 7: 1684–1685. Hgg. v. U. Sträter u. J. Wallmann in Zusammenarbeit m. K. vom Orde.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2019. XXXV, 716 S. Lw. EUR 199,00. ISBN 9783161591150.

Nachdem schon seit 2017 die Edition der Briefe Speners aus der Dresdener Zeit fertig vorliegt, sollte nun mit dem siebten Band eigentlich auch die Edition der Briefe der Frankfurter Zeit abgeschlossen werden. Doch abermals erwies sich das Material als zu umfangreich. So bietet der anzuzeigende Band nur die Briefe der Jahre 1684 und 1685. Ein achter Band wird die Briefe des ersten Halbjahrs 1686 bis zum Weggang nach Dresden sowie die undatierten Briefe aus der Frankfurter Zeit und ein Sachregister über alle Frankfurt-Bände enthalten.
Der Band entspricht dem gewohnt hohen editorischen Standard, Bearbeiter war wiederum Klaus vom Orde. Er enthält insgesamt 148 Briefe Speners, von denen zwei Drittel erstmals bereits in den gegen Ende seines Lebens und kurz danach veranstalteten Sammlungen seiner deutschen und lateinischen Gutachten abgedruckt worden waren. Sie ermöglichen einen Einblick in die späten Frankfurter Jahre Speners, die in der Forschung deutlich weniger Aufmerksamkeit gefunden haben als die frühen Jahre bis zum Erscheinen der »Pia Desideria«. Überschattet war die erste Jahreshälfte 1685 von einer schweren Erkrankung Speners, über die er in einer Reihe von Briefen freimütig Auskunft gibt. Bereits im Mai und Juni 1683 hatte er eine lebensbedrohliche Krankheit durchgestanden. Auch jetzt musste er wieder mit seinem Ableben rechnen und wurde auch mancherorts schon totgesagt. Die neuerliche schwere Erkrankung begann plötzlich am späten Abend des 13. Dezember 1684 mit hohem Fieber und ging in eine lange Krankheitsphase mit abendlichen Fieberschüben und nächtlichen Schweißausbrüchen und beständiger Kraftlosigkeit über; Spener konnte nicht mehr predigen und nur wenige Briefe schreiben. Als das Fieber Ende März 1685 endlich verschwand, trat als neues Symptom eine Schwellung des Unterbauchs mit bis in den Rücken ausstrahlenden Schmerzen auf. Eine Trinkkur in Bad Ems brachte Linderung, doch erst im Juli, nach dreißig Wochen, konnte Spener seine Predigttätigkeit wieder aufnehmen.
Insgesamt ist Speners Wahrnehmung der kirchlichen und politischen Lage von ersten, dunklen Tönen bestimmt. Mit Sorge beobachtet er die Bedrängung der Evangelischen in seiner unter französische Herrschaft geratenen elsässischen Heimat, gibt Amtsbrüdern Ratschläge, wie sie sich verhalten sollen, und verfasst eine Ermahnung zur Beständigkeit in der Lehre des Evangeliums. Sorge bereiten ihm auch weiterhin die katholischerseits von Christoph Rojas y Spinola betriebenen kirchlichen Reunionsversuche sowie die Türkengefahr. Wie zuvor, so beklagt Spener auch in den Briefen dieser Jahre immer wieder die inneren Gefährdungen des Luthertums durch die Versäumnisse der Geistlichen und den Unglauben und die Sittenlosigkeit der Gemeindeglieder. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass die Endzeit hereingebrochen ist. Zugleich aber hält Spener an seiner »Hoffnung besserer Zeiten« fest. In seinem eigenen Amtsbereich sieht er sich vordringlich durch den Frankfurter Separatismus herausgefordert. Mit bewegenden Worten schildert er einmal (Brief Nr. 103), wie schwer es ihm falle, die richtigen Entscheidungen zu treffen und konsequent danach zu handeln. Es ist von daher nicht übertrieben, die Jahre 1684 und 1685 als eine Krisenzeit für Spener zu charakterisieren.
Nicht umsonst bestimmte die Auseinandersetzung mit dem Separatismus auch sein literarisches Schaffen. 1684 publizierte er »Der Klagen über das verdorbene Christentum Missbrauch und rechter Gebrauch«. Die Abhandlung war aus seiner Vorrede zu einer von dem Verleger Andreas Luppius herausgebrachten Anthologie von Klageschriften über die kirchlichen Verhältnisse hervorgegangen; dass erst die unabgesprochene nachträgliche Aufnahme eines böhmistischen Traktates in den von Spener bevorworteten Band diesem den Anstoß zur Abfassung der Missbrauchsschrift gegeben habe, ist aus Brief Nr. 46 m. E. allerdings nicht abzuleiten (gegen XI). Die zweite große literarische Arbeit des Jahres 1684 war der Abschluss des ersten Teils der dann nicht mehr fortgesetzten »Evangelischen Glaubensgerechtigkeit«, der einzigen großen systematisch-theologischen Schrift Speners.
Bereits im Frühjahr 1684 korrespondierte Spener mit Veit Ludwig von Seckendorff über die Dresdener Pläne, ihn als Nachfolger des dortigen Oberhofpredigers in die sächsische Residenzstadt zu berufen (Brief Nr. 22). Wie ehedem bei der Berufung nach Frankfurt zeigte er sich unsicher, ob darin wirklich ein göttlicher Ruf zu erkennen sei, und verwies, klarsichtig die späteren Probleme vorwegnehmend, auf seinen Mangel an diplomatischer Staatsklugheit und Beherztheit. Zwei Jahre später sollte er trotzdem dem Ruf nach Dresden folgen.
Viele wiederkehrende Themen finden sich auch in den Briefen dieser Jahre: die Besetzung kirchlicher Ämter, die pfarramtlichen Aufgaben, die Kirchenzucht, das Theologiestudium, die Beurteilung Jakob Böhmes – hier speziell auch im Rahmen der Affäre um den württembergischen Predigtamtskandidaten Eberhard Zeller – und anderes mehr. Auch Kuriosa wie die Stellungnahmen zu Hexenvisionen von Kindern und zur Möglichkeit der Lykanthropie begegnen hier. Insgesamt bietet auch dieser Band wieder eine erhellende und anregende Lektüre.

MarburgWolf-Friedrich Schäufele