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Ausgabe:

September/2021

Spalte:

879–880

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Vlastuin, Willem van

Titel/Untertitel:

Catholic Today. A Reformed Conversation about Catholicity.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2020. 252 S. = Reformed Historical Theology, 66. Geb. EUR 110,00. ISBN 9783525540817.

Rezensent:

Eva-Maria Faber

Willem van Vlastuin, Inhaber des Lehrstuhls für Theologie und Spiritualität des Reformierten Protestantismus an der Vrije Universiteit Amsterdam, legt in der Reihe »Reformed Historical Theology« eine »Konversation« über Katholizität vor. In der Einleitung sowie im dritten systematischen Teil erschließt sich als deren Hintergrund das Leiden an der Aufsplitterung des Reformiertentums in verschiedene Denominationen. Intention des Vf.s ist es, ausgehend von einem historisch fundierten Verständnis eine reformierte An­eignung des Anliegens der Katholizität zu befördern.
Deswegen sichtet ein erster historischer Teil (13–77) das Thema der Katholizität in der Alten Kirche entlang von Ignatius von Antiochien, Cyprian von Karthago, Cyrill von Jerusalem, Augustinus und Vinzenz von Lérins. Ein zweiter historischer Teil verfolgt die Thematik in Ansätzen der reformierten Tradition (79–158). Revue passieren die Theologie Johannes Calvins, reformierte Bekenntnisse und die Ansätze von James Ussher, John Owen, Herman Bavinck und Gerrit Cornelis Berkouwer. Alle Unterabschnitte werden durch eine Auswertung resümiert.
Die historischen Teile versammeln wichtige Aspekte von Katholizität und präsentieren etwa die Spannung von quantitativem und qualitativem Verständnis oder die Bezüge zum Thema Einheit. Hinsichtlich der reformierten Ansätze untersucht der Vf. die Frage, wie sich jeweils eine Denkbewegung hinsichtlich von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Kirche abzeichnet und in welchem Verhältnis sich Katholizität zur pneumatologischen Dimension, zur Taufe und zu den Ämtern verhält.
Diese historischen Ausführungen bleiben bei elf Ansätzen, die auf rund 140 Seiten untersucht werden, jedoch so knapp, dass sich die Entwürfe kaum wirklich erschließen. Für den Umbruch zur reformierten Tradition fehlt dafür überdies der kontextuelle Horizont. Wie Peter Walter gezeigt hat, ist die Katholizität im frühen 16. Jh. noch kein Thema; die deutschsprachigen Credo-Übersetzungen kommen auch vor Luther ohne das Attribut »katholisch« aus und sprechen von der »christlichen Kirche« (siehe anders 15: »Luther spoke of the ›holy Christian church‹ to replace ›catholic‹ by ›Christian‹«). Konturen gewinnt am ehesten der vermehrt durch Zitate illustrierte Ansatz von Herman Bavinck. Ansonsten bleiben die Ausführungen angesichts der Breite von involvierten Themenaspekten (vgl. etwa 156 f.) allzu oft oberflächlich. Damit entfällt auch die Rezeption von Differenzierungen, wie sie nicht zuletzt der ökumenische Dialog etwa für Akzentsetzungen hinsichtlich der sichtbaren bzw. der unsichtbaren (verborgenen) Kirche erfreulicherweise hervorgebracht hat.
Der systematische Teil bündelt die Anliegen des Vf.s. Es geht ihm um eine reformierte Wiedergewinnung von Katholizität in christologischer Konzentration als Fülle und Reichtum des Leibes Christi, aber auch als Einheit gegenüber nationalen Kirchentümern. Er kritisiert denominalistische Aufspaltungen ebenso wie eine Verabsolutierung reformierter Bekenntnisse und wirbt um eine traditionsbewusste Rückbindung an die Alte Kirche. Der Teil enthält interessante Aspekte wie den Hinweis auf den Vorschlag eines »catholicity-impact-assessment« für kirchliche Entscheidungen von B. Kamphuis (vgl. 188). Im Ganzen sind die Ausführungen allerdings zu sehr von ihren kontextuellen Auseinandersetzungen gezeichnet, um als systematische Reflexion bestehen zu können. Klagen darüber, dass die Sehnsucht nach Einheit nirgends mehr zu finden sei (181), bleiben ebenso wie andere Vorwürfe eher pauschal. In unverkennbarer Skepsis gegenüber zeitgenössischen kulturel len Prägungen und theologischen Entwürfen (vgl. 198–207.235) sind weite Passagen von plakativen Statements geprägt: »We do not preach personal convictions or truths from a sub-tradition, but we pro­claim that which is true always and everywhere.« (173) Solche Gegenüberstellungen, die sich mit zahlreichen rhetorischen Fragen verbinden, lassen eine fundierte Auseinandersetzung eher vermissen.
Als römisch-katholische Rezensentin ist mir manche Engführung meiner eigenen Konfession bewusst; ebenso begrüße ich den Widerspruch gegen eine konfessionalistische Vereinnahmung des Themas Katholizität (9 f.). Der pragmatische Verzicht der Studie auf eine ökumenische Auseinandersetzung (vgl. 161) ist ebenfalls nachvollziehbar. Misslich bleibt gleichwohl, dass die wenigen Hinweise auf ein römisch-katholisches Verständnis von Katholizität ohne näheres Hinsehen eher verkürzend, manchmal befremdlich und gewiss selektiv sind (vgl. z. B. 67.146.163.198 f.220 f.; siehe 163 im­merhin auch den Hinweis auf die Nouvelle Theologie).