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Ausgabe:

Oktober/2022

Spalte:

962-963

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Askani, Hans-Christoph, u. Michel Grandjean [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Luther und die Philosophie. Streit ohne Ende?

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2021. VII, 293 S. = Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie, 82. Kart. EUR 79,00. ISBN 9783161559037.

Dieser Sammelband dokumentiert in annähernder Vollständigkeit – zwei Vorträge kamen nicht zur Publikation (vgl. 10, Anm. 4) – ein im Reformationsjubiläumsjahr 2017 an der Theologischen Fakultät der Universität Genf abgehaltenes Kolloquium. Die Zusammenstellung der aus der Schweiz, aus Frankreich, Deutschland und den USA angereisten historischen, theologischen und philosophischen Beiträger verlieh dem Unternehmen einen internationalen und interdisziplinären Charakter. Gleichwohl zielten die Veranstalter mit dem an einen Buchtitel von Philippe Büttgen angelehnten Rahmenthema Luther und die Philosophie nicht darauf ab, »einen Gesamtüberblick zu bieten«, sondern begnügten sich damit, »schlaglichtartig eine Problematik zu beleuchten, die […] immer noch von Bedeutung zu sein scheint« (2). So nimmt es nicht wunder, dass die 14 Einzelstudien zwar jeweils einen mehr oder minder aufschlussreichen Spezialaspekt, in ihrem Zusammenspiel jedoch keinesfalls eine organisch geschlossene, horizontfüllende Sachstandsanalyse darstellen.

Wer an einer materialen Inventarisierung interessiert ist, soll auf die präzise, bündige »Einleitung« (1–11) der beiden Herausgeber sowie auf die »Schlussbemerkungen« (275–282) des sachkundigen Konferenzbeobachters Büttgen verwiesen sein.

Die Auskunft der Herausgeber, die Beiträge des Bandes befassten sich teils mit der »Vorgeschichte von Luthers Denken«, teils mit dessen »Wirkungsgeschichte«, teils auch »mit übergeordneten Fragestellungen« (2), droht in die Irre zu führen. Tatsächlich traktieren die einzelnen Studien entweder beispielhaft die von Luther vollzogene Kritik historischer Autoritäten (daraus hervorstechend der Beitrag von Pierre Bühler zu »Luther und Aristoteles« [13–26]) oder einen philosophisch einschlägigen Sachaspekt der Theologie Luthers (besonders erhellend die Studie Günter Baders über »Luther und die Skepsis« [101–121]) oder, abgesehen von einer das Rahmenthema verlassenden Spezialstudie zu Melanchthon, eine personenscharf kenntlich gemachte, von Luther zu Blaise Pascal, Johann Georg Hamann, Immanuel Kant, Hermann Cohen oder Martin Heidegger hinführende Rezeptionsspur, die sich, ohne Anderes abwerten zu wollen, im letztgenannten, von Hans-Christoph Askani analysierten Fall (251–273) der bevorzugten Lektüre empfiehlt.

Instruktiv sind die Hinweise zu den Autoren des Bandes (283–286), hilfreich die abschließend gebotenen Register der Bibelstellen, der Personen sowie, in ihrer Binnengliederung schwer durchschaubar, der aufgerufenen Schriften (nicht »Lutherstellen« [288]) des Reformators.

Es mag mit der differenzierenden Distanz, die Luther gegenüber Aristoteles walten ließ, korrespondieren, dass sich die dem antiken Philosophen zugeschriebene Weisheit, das Ganze sei allemal mehr als die Summe seiner Teile, nicht immer und überall verifizieren lässt.