31.08.2023

Heinz-Wolfgang Kuhn zum Gedenken (1934–2023)

Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Ludwig-Maximilian-Universität München trauert um Prof. Dr. Heinz-Wolfgang Kuhn, der am 1. Juli 2023 im Alter von 89 Jahren verstorben ist. Kuhn wurde in Coburg als Sohn von Horst Kuhn (evangelischer Pfarrer) und Therese (geb. Schubarth) geboren.
Nach seinem Studium in evangelischer Theologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg wurde er dort 1963 zum Dr. theol. mit einer Arbeit zum Thema »Enderwartung und gegenwärtiges Heil in den Gemeindeliedern von Qumran« promoviert. Kuhns Dissertation erfuhr besondere Beachtung, da sie ein Bild von einer frommjüdisch-apokalyptischen Tradition entwickelte, bei der man in der Gegenwart mit einer wirkungsvollen Tätigkeit Gottes rechnen konnte. Kuhn habilitierte sich 1969 in Heidelberg mit einer Studie »Ältere Sammlungen im Markusevangelium«, die 1971 erschien und weitere Einzelstudien hinsichtlich der Bedeutung der Heiden bei Jesus vorwegnahm. Seine Forschungsinteressen richteten sich bereits damals auf die Frage nach dem historischen Jesus. Hier ging es ihm darum, Einsichten über kritisch-erreichbare Verbindungen zwischen Jesus-Überlieferungen und Schriften aus der judäischen Wüste zu gewinnen.

Kuhn wurde 1973 Professor für Neutestamentliche Theologie in Heidelberg. 1978 wurde er mit der Bonifatius-Medaille der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz, 1998 für seine herausragende wissenschaftliche Tätigkeit mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und zuletzt 2011 mit der Ehrenurkunde an der University of Nebraska/USA ausgezeichnet. Kuhn war von 1986 bis zu seiner Emeritierung 1999 Professor am Lehrstuhl für Neues Testament an der Ludwig-Maximilians-Universität München und wurde kurz danach Kodirektor des Ausgrabungsprojekts in Bethsaida, Israel. Von 1975 bis 1995 widmete er sich dem Thema »Jesu Kreuzestod« in 15 Aufsätzen und Beiträgen.
Nach seiner Emeritierung setzte er seine Forschungen insbesondere in zwei Bereichen fort: Zum einen betreute er weiterhin das Bethsaida-Projekt, zu dessen Ausgrabungen er 2005 einen bedeutenden Band mit Aufsätzen zu »Bethsaida in der Zeit Jesu« veröffentlichte. Zum anderen untersuchte er traditionsgeschichtliche Motivverbindungen von »Qumran«-Texten zu neutestamentlichen Überlieferungen. Er hinterlässt dabei einen Reichtum an Quellenarbeit, die künftigen Forschungen im Zusammenhang von Neuem Testament und dem frühen Judentum eine wertvolle Grundlage bietet. Selbst 20 Jahre nach seiner Emeritierung nahm Kuhn noch regelmäßig am neutestamentlichen Forschungskolloquium teil und engagierte sich weiterhin für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Die wissenschaftliche Theologie in Deutschland und weltweit verliert einen markanten und profilierten Gelehrten, der sowohl als Neutestamentler als auch als Erforscher antik-jüdischer Texte und Archäologie langjährig bis zuletzt tätig war.
Heinz-Wolfgang Kuhn hinterlässt seine Ehefrau Ursula (geb. Mohr) und seine drei erwachsenen Kinder Berthold, Annegret, Verena sowie sechs Enkel und drei Urenkel.

Prof. Dr. Loren T. Stuckenbruck, Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilian-Universität München